Der weit verbreitete Irrglaube „Viel hilft viel“ wenn es um die Einnahme von Medikamenten geht, reicht teilweise bis in den Bereich der Reproduktionsmedizin. Es gibt immer wieder Situationen, in denen Patienten während der hormonellen Stimulation (Follikel-Stimulation) die Dosis bestimmter Präparate eigenmächtig erhöhen wollen – mit der Begründung, sie hätten darüber gelesen und entsprechende Erfolge, sprich eine Verbesserung der Eizellreifung, gesehen.
Dazu halte ich einleitend fest, dass die Auswahl eines optimalen Stimulationsprotokolls auf folgenden Fakten basiert:
- Krankengeschichte (Anamnese)
- Risikofaktoren
- Reaktion auf vorangegangene Stimulationen
- Alter
- BMI (Body-Mass-Index)
- Gesundheitszustand
- Hormonstatus
- Antraler Follikel-Count (AFC)
- AMH-Wert etc.
Das bedeutet, die Dosis der FSH-/HMG-Stimulation muss ausgewogen und der geplanten Behandlung optimal angepasst sein. Weder eine Unter- noch eine Überdosierung führen in unserem Sinne der Therapie (intakte Schwangerschaft möglichst im aktuell geplanten Zyklus) zu optimalen Ergebnissen.
Vor allem bei sogenannten „Low Responderinnen“ und bei Frauen über 40 Jahren beobachten wir häufig, dass Frauen mit deutlich zu hohen Dosen von FSH/HMG (mehr als 5 Ampullen á 75 IE) stimuliert wurden.
Anlässlich eines persönlichen Gespräches mit Prof. Bruno Lunenfeld, dem Pionier der FSH/HMG-Stimulation, meinte dieser, dass es nur in ganz seltenen Fällen notwendig und sinnvoll sei, mit einer Dosis von mehr als 300 IE FSH/HMG zu stimulieren. Dieser Meinung schließe ich mich, vor allem aufgrund meiner Erfahrung, an.
Beste Eizellen-Kohorte stimulieren
Es ist seit jeher bekannt und vielfach in der Literatur beschrieben, dass zu hohe Dosen von FSH/HMG vermehrt mit Eizellen, welche chromosomal nicht intakt sind (aneuploid bzw. Mosaike), resultieren. Dies ist wissenschaftlich noch nicht final abgeklärt.
Unser Fokus sollte es nicht sein, mit aller Gewalt die eine oder andere Eizelle mehr zu erhalten, sondern darauf ausgerichtet sein, die Eierstockphysiologie zu beachten und damit die beste Kohorte von Eizellen zu stimulieren, um eine intakte Schwangerschaft zu ermöglichen.
Unterdrückung der Prolaktin-Werte wirkt ähnlich wie „Antibabypille“
Wenn Patienten die im Therapieplan festgelegten Medikamentendosen selbst erhöhen oder Depot-Präparate verwenden und damit der Prolaktin-Wert auf unterste Normalwerte gedrückt wird, dann führt dies zu Eizellreifungsstörungen. Eine zu starke Unterdrückung der Prolaktin-Werte wirkt ähnlich wie die „Antibabypille“.
Auch hier sind die optimale Einstellung mit täglichen Einnahmen von z.B. Bromocriptin-Tabletten und die Einstellung des Prolaktin-Werts im oberen Drittel des Normbereiches essentiell für den Erfolg einer Behandlung.
Individuell abgestimmte Therapie erhöht Chancen auf Schwangerschaft
Die sogenannte „Milchmädchen-Rechnung“ – Höhere Stimulation → mehr Eizellen → besserer Schwangerschaftsrate – ist zwar ein frommer Wunsch, medizinisch jedoch ein falscher Ansatz.
Erfahrung in der Therapieplanung, individuelles Vorgehen, optimale Überwachung des Follikelwachstums mittels Ultraschallkontrollen und allenfalls Östrogenbestimmungen sowie ein erfahrenes Labor-Team, ausgestattet mit den besten und neuesten Techniken, führen nach einem auch unter optimalen Voraussetzungen durchgeführten Transfer am schnellsten und sichersten zu intakten Schwangerschaften und gesunden Kindern.
(Literatur beim Verfasser)
Links:
» Schwangerschaftstest – Wenn aus Glück, Unglück wird
(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)
» Hormonelle Stimulation bei Kinderwunschbehandlungen
(Themen-Special | http://www.kinderwunsch-blog.com)
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