Wir haben uns bereits mehrfach, auch in vorangegangenen Blog-Beiträgen, kritisch mit der genetischen Analysetechnik im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung, dem Pre-Implantation-Genetic Screening (PGS) auseinandergesetzt. Dabei gilt es, die medizinische Praxis an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse anzupassen bzw. neue, robuste Forschungsergebnisse in die klinische Praxis einfließen zu lassen.
Gibt es also neuere Resultate, die mittlerweile den vermehrten Einsatz des PGS rechtfertigen würden?
Ein kurzer Rückblick
Vor einigen Monaten wurde in der Fachzeitschrift Fertility & Sterility eine multizentrische randomisierte, kontrollierte Studie, der sogenannte „STAR-Trial“ (abgleitet von Single Embryo TrAnsfeR of Euploid Embryo) publiziert. Auch diese Studie konnte schlussendlich keine verbesserten Ergebnisse nach PGS in der gesamten Interventionsgruppe, im Vergleich zur Kontrollgruppe (ohne PGS), feststellen. Zwar konnte für eine Subgruppe, den 35 – 40-jährigen Patientinnen, signifikant bessere Schwangerschaftsraten erzielt werden, jedoch nur bezogen auf diejenigen Patientinnen, die einen Transfer hatten. Jedoch nicht berücksichtigt wurde der sogenannte „Intention-to-treat“ (ITT), sprich alle Patientinnen, die sich in der PGS-Gruppe befanden.
Tatsächlich ist dieser Zusatz „pro Transfer“ sehr irreführend. Denn der Referenzpunkt Embryotransfer schließt damit automatisch die sogenannten „Poor Prognosis“ Patienten aus, also jene Patienten deren Embryonen z.B. aufgrund verminderter Qualität erst gar nicht biopsiert (=Entnahme von Zellen zur Analyse mittels PGS) werden können. In einer bereits früher erwähnten Pilotstudie konnten wir zeigen, welche Verlustraten ein PGS-Verfahren wirklich mit sich bringt.
PGS kann nicht empfohlen werden
Diese und viele andere Kritikpunkte zum PGS haben wir, basierend auf unser langjährigen Erfahrung im Bereich der Genetik bei Kinderwunsch durch Sichtung der aktuellen Literatur, in einer vor kurzem publizierten Übersichtsarbeit zusammengefasst. Unser Fazit: Generell kann PGS nicht empfohlen werden. In einigen speziellen Situationen, quasi als Ultima Ratio, ist PGS (eventuell) denkbar, wenn alle anderen evidenten Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. Aber auch dann gilt:
- umfassende Aufklärung des Patientenpaares
- ausgewogene und ergebnisorientierte Beratung
- Informationen zu den Gesamtkosten des PGS
- Auskunft über die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, gesunde (euploide) Embryonen für den Transfer zu haben
Nicht zuletzt muss ebenso klar festgehalten werden, dass:
- auch nach neuestem Wissensstand keine evidenten Belege vorhanden sind, dass PGS zu einer Verbesserung der IVF-Ergebnisse beiträgt,
- dafür aber stichhaltige Bedenken hinsichtlich möglicher nachteiliger Auswirkungen des PGS auf die IVF-Ergebnisse, zumindest bei einigen Patientengruppen, bestehen.
Zu diesem Schluss kommt auch ein von uns mitgetragenes und im Fachjournal Reproductive Biology and Endocrinology veröffentlichtes Positionspapier der IDNHG-IVF (International Do No Harm Group in IVF) – ein Zusammenschluss von Kliniken, Embryologen und Grundlagenforschern, die sich mit unzureichend validierten „Add-Ons“ (Zusatztherapien) in der Reproduktionsmedizin befassen.
Links:
» Prä-Implantations-Screening – Wie hoch sind die Erfolgsraten wirklich?
(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)
» Prä-Implantations-Diagnostik – „Segen oder Fluch?“
(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)
(Themen-Sepcial | http://www.kinderwunsch-blog.com)
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