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„Wer hat an der Uhr gedreht…“

„Social Freezing“ – Eizellen einfrieren und die biologische Uhr austricksen?

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Symbolbild | Foto: Shutterstock
Dazu ist Prof. Dr. Herbert Zech, Pionier auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin, im Kinderwunsch BLOG-Interview:

Herr Prof. Zech, „Social Freezing“, ein kontrovers diskutiertes Thema, welches derzeit starke mediale Präsenz erfährt. Unter dem Begriff „Social Freezing“ wird Frauen die medizinisch-technische Möglichkeit eröffnet, auf Wunsch ihre Eizellen vorsorglich einfrieren zu lassen und eine bestimmte Zeit einzulagern.

Den Anstoß zur aktuellen Debatte lieferten die beiden Unternehmen „Facebook“ und „Apple“, die ihren Mitarbeiterinnen diese Option ermöglichen wollen.
Soll der Arbeitgeber „Social Freezing“ bezahlen?

Prof. Zech: Ein Arbeitgeber/eine private Organisation soll selbstverständlich nicht verpflichtet werden, hier einen Beitrag zu leisten.
Eine Unterstützung durch den Arbeitgeber stellt eine sinnvolle Prävention dar und gibt der Frau eine weitere Möglichkeit, selbst über ihren Körper entscheiden zu können – ähnlich, wie das bei der „Pille“ der Fall ist. Selbstverständlich kann man eine Frau auch nicht zur Einnahme der „Pille“ zwingen.
Eine mögliche Unterstützung zur vorsorglichen Einlagerung von unbefruchteten Eizellen soll auf keinen Fall bewusst dazu beitragen, eine Schwangerschaft nicht auf natürlichem Wege anzustreben.

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IVF Zentren Prof. Zech und Eizellvorsorge/“Social Freezing“- Chronologie
  • Seit 4 Jahren bieten die IVF Zentren Prof. Zech Eizellvorsorge/“Social Freezing“ unter dem Titel „OVITA“ an.
  • Situation Italien:
    Prof. Zech: In unserem IVF Zentrum Prof. Zech in Meran war, wie in gesamt Italien, die Gesetzeslage vor Jahren weltweit am restriktivsten (Berlusconi hatte hier offensichtlich einen Deal mit Gegnern der IVF). Es durften nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie zum Transfer geplant war, sodass in gesamt Italien die Schwangerschaftsrate weltweit am niedrigsten war.
    Nachdem wir an unseren IVF Zentren Prof. Zech nur maximal 2 Embryonen transferieren, waren wir gezwungen und dank unserer Forschungsaktivitäten und Weiterentwicklungen der Vitrifikation mit aseptischen Verfahren („VitriSafe®“) in der Lage, Eizellen unbefruchtet tiefzugefrieren.
    Während dieser restriktiven Phase in Italien, welche auf Grund von Beschwerden von Frauen seit 2 Jahren wiederum gelockert ist, haben wir bei mehr als 400 Frauen überzählige Eizellen tiefgefroren und nach deren Auftauen und Befruchtung normale Schwangerschaftsraten erzielt.
  • Situation Schweiz:
    Prof. Zech: Aufgrund eines Einspruchs der Behörden im Kanton St. Gallen haben wir das von uns vor mehr als 4 Jahren lancierte Angebot einer Einlagerung von unbefruchteten Eizellen vorerst nicht umsetzen können. Wir hatten eigentlich vor, in der Schweiz dies („Social Freezing“) anzubieten und eine juristische Expertise vorab eingeholt. Nachdem uns das zuerst untersagt wurde, gingen wir durch die juristischen Gremien und haben schlussendlich vom Verwaltungsgericht St. Gallen folgendes erkannt und recht bekommen:
    1. Unsere Beschwerde wurde gut geheißen und die angefochtene Verfügung der Vorinstanz vom Februar 2013 wurde aufgehoben.
    2. Es wurde festgestellt, dass die von uns mit der Dienstleistung „OVITA“ angebotene Kryokonservierung von Eizellen im Sinn der Erwägungen gesetzeskonform und darum zulässig ist.
    Wie man aus dieser Darstellung entnehmen kann, waren wir Wegbereiter zur Einlagerung unbefruchteter Eizellen (sogenanntes „Social Freezing“) in der Schweiz. Bis dato haben wir aus diesem Grund wohl relativ viele Vorgespräche mit Schweizer Frauen geführt, diese haben die Einlagerung allerdings bis vor kurzem noch an unserem Zentrum in Pilsen (IVF Zentren Prof. Zech – Pilsen) vorgenommen.

Ihre „OVITA-Zentren für Eizellvorsorge Prof. Zech“ sind Teil Ihrer Kinderwunsch-Kliniken, in denen „Social Freezing“ angeboten wird. Wie Sie mir erzählt haben, ist die Nachfrage groß.
Was sind die Beweggründe der Frauen?

Prof. Zech: Frauen, die sich für eine Eizellvorsorge entscheiden, tun dies meiner Erfahrung nach wohl überlegt, klug und verantwortungsvoll. Es ist für viele eine Sicherheit, die ihnen den Druck rund ums Kinderkriegen nimmt.
Alle Frauen, welche bis dato entweder Eizellen eingelagert haben oder sich zur Einlagerung angemeldet haben, war der Vorsorgegedanke im Vordergrund und nicht die Absicht zunächst ihre Karriere zu forcieren.
Zusammengefasst würde ich sagen, es ist eine Option in der modernen Familienplanung, welcher ein emanzipatorischer Schritt zu mehr Selbstbestimmung zu Grunde liegt.

Wie alt sind bzw. waren die Frauen, welche in Ihren Zentren „Social Freezing“ in Anspruch nehmen?
Prof. Zech: Bis dato waren es vorwiegend Frauen über dem 35. Lebensjahr, obwohl idealerweise die Einlagerung der Eizellen im jüngeren Lebensalter (zwischen 20-30) von Vorteil wäre. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Eizellen mitaltern und sich daher auch die Chance schwanger zu werden verringert d.h. die Fruchtbarkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab.

Wie sieht der Behandlungsablauf aus?
Prof. Zech: Die Behandlung beginnt mit einem ausführlichen Beratungsgespräch, umfassenden Informationen und Hinweisen zu möglichen Risiken und Komplikationen. Eine gynäkologische Untersuchung, eine Hormonanalyse und die Abklärung der Serologie (Infektionsparameter) sind ebenfalls Bestandteil der Eizellvorsorge. Wir empfehlen je nach Alter der Frauen, 15-30 Eizellen tieffrieren zu lassen. In der Vorbereitungsphase werden die Eierstöcke durch eine gezielte Hormonbehandlung stimuliert. Das Wachstum der Follikel wird per Ultraschall genauestens kontrolliert und damit der optimale Zeitpunkt für die Eizellentnahme bestimmt. Nach der Follikelpunktion werden die gewonnenen Eizellen tiefgefroren und eingelagert.
WICHTIG: Eine sichere Verhütung einer aktuell nicht geplanten Schwangerschaft ist ab dem Beginn der Stimulationsphase bis zur nächsten Regelblutung absolut nötig, da nicht immer aus allen heranwachsenden Follikeln eine Eizelle gewonnen werden kann.

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IVF Zentren Prof. Zech | Einlagerung der hermetisch verschweißten Kryo-Straws in Stickstofftank

Stimmt es, dass die technologischen Voraussetzungen für „Social Freezing“ erst seit ein paar Jahren bestehen?
Prof. Zech: Das ist richtig, daran waren wir federführend beteiligt. Wir haben eine innovative Methode der Vitrifikation entwickelt („VitriSafe®“), die es uns ermöglicht, unbefruchtete Eizellen ohne Beeinträchtigung der Entwicklungsfähigkeit zu konservieren. Im Gegensatz zu offenen Tiefgefriertechniken handelt es sich dabei um ein geschlossenes, keimfreies System. Die Eizellen werden innerhalb eines protektiven Kryo-Straws bei -196° tiefgefroren und in einen Stickstofftank eingelagert.

Wie sicher ist diese moderne Tiefgefrier-Technik? Gibt es schon längerfristige Studien darüber?
Prof. Zech: Gerade aus diesem Grund haben wir vor 4 Jahren unser sogenanntes OVITA-Programm gestartet, da wir zeigen und auch wissenschaftlich belegen konnten, dass mit dem von uns entwickelten, über Jahre erprobten System das Tiefgefrieren von Eizellen die gleichen Ergebnisse erzielt werden, wie mit frisch befruchteten Eizellen, was bis anhin und ohne unsere Technik mit den anderen international angewandten Techniken nicht möglich war. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, diese Technik international anzubieten.

Wie sehen die Erfolgsraten aus? Können Sie konkrete Zahlen nennen?
Prof. Zech: In unseren Zentren in Bregenz, Niederuzwil, Vaduz, Pilsen, Salzburg und Köln haben wir bis heute von ca. 300 Patientinnen Eizellen tiefgefroren.

Von diesen 300 Frauen haben 70% unter dem Titel „Social Freezing“ Eizellen vorsorglich eingelagert.
• Wir haben unter dem Aspekt „Social Freezing“ bis dato von 5 Frauen, welche zwischenzeitlich ein Kind wollten, ein positives Ergebnis, 6 Kinder wurden davon geboren (einmal Zwillinge).

Bei ca. 30% dieser 300 Frauen war die Indikation zum Einfrieren eine Medizinische, damit auch in Österreich erlaubt.
• Bei 45 Frauen aus dieser Gruppe konnten anlässlich der normalen geplanten IVF keine Samen abgegeben werden (Partner war stressbedingt dazu entweder nicht in der Lage oder es konnten keine Samen trotz vorhergehender Analyse und zu erwartendem positivem Ergebnis, keine gefunden werden – die Eizellen wurden daher tiefgefroren und in einer weiteren Folge, nachdem der Mann in einer Ruhephase entweder Samen abgeben konnte oder wir diese durch operative Maßnahmen aus dem Hoden gewinnen konnten, eine sogenannte Testikuläre Spermien Extraktion – (TESE) vornehmen. Hier konnten wir Schwangerschaftsraten, wie mit primär normal befruchteten Eizellen erreichen und haben davon kumulativ bis dato 39 Kinder (Schwangerschaftsrate kumulativ mehr als 90 %).
• Bei ca. 10 Patienten haben wir in den letzten Jahren an unseren IVF Zentren Prof. Zech Eizellen tiefgefroren, weil die Frau einer Krebsbehandlung unterzogen werden musste. 5 Patienten davon haben während der letzten Jahre die Chemotherapie bzw. Bestrahlungsbehandlung soweit positiv hinter sich bringen können, dass sie dann eine Therapie mit tiefgefrorenen und aufgetauten und befruchteten Eizellen angehen konnten. 5 gesunde Kinder sind bis dato daraus entstanden.

Situation Pilsen:
Prof. Zech: An unserem IVF Zentrum Prof. Zech in Pilsen, an welcher auch Eizellspenden angeboten werden, haben wir nun begonnen, Eizellen unbefruchtet tiefzugefrieren und diese für die Eizellspende zu verwenden. Der Vorteil des Tiefgefrierens von Eizellen liegt darin, dass diese Eizellen ohne Stress mit dem Samen des Partners befruchtet werden können und damit eine optimale Synchronisierung bis zum Transfer erfolgen kann. Auch damit haben wir Schwangerschaften wie bei primärer Befruchtung mit frischen Eizellen erzielen können und erneut bewiesen, dass das Tiefgefrieren von Eizellen mit unserer Technik der Vitrifikation im abgeschlossenen System („VitriSafe®“), gleich gute Ergebnisse erzielt, wie im frischen Zyklus und Befruchtung primär.

Im Hinblick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu „Social Freezing“: Wie lange kann/darf eine Frau ihre Eizellen konservieren lassen/einlagern?
Prof. Zech: Abhängig von der gesetzlichen Lage, derzeit in der Schweiz nur 5 Jahre, andiskutiert wird eine Gesetzesänderung mit einer Lagerungszeit von 10 Jahren – was wir den Patienten selbstverständlich so erklären, in Österreich 10 Jahre.
Nach 5 bzw. 10 Jahren entscheidet die Frau, was sie mit ihren Eizellen macht.

Bis zu welchem Alter der Frau, dürfen eingefrorene Eizellen, aufgetaut, befruchtet und eingesetzt werden, um eine Schwangerschaft zu erzielen?
Prof. Zech: In Pilsen gibt es die Empfehlung, eine Schwangerschaft bis zum 45 Lebensjahr zu ermöglichen. Individuell, abhängig von der Gesundheitssituation der Frau und der Mitbetreuung des zuweisenden Gynäkologen bzw. Hausarztes bzw. Internisten, liegt es in unserer Entscheidung, ob wir die natürliche Grenze von 45 Jahren überschreiten. Das maximale Alter für den Transfer von Embryonen liegt in Tschechien bei 50 Jahren.
Sowohl technisch, durch den Einsatz effizienter Tiefgefrier-Systeme, als auch rechtlich, durch Aufklärung und Transparenz, streben wir in unseren Zentren nach höchstmöglicher Sicherheit für alle, die eine Eizellvorsorge/“Social Freezing“ in Anspruch nehmen wollen.

Abschließend noch die Frage, tickt die biologische Uhr einer Frau durch „Social Freezing“ quasi langsamer?
Prof. Zech: Ja, „Social Freezing“ kann das Alter wirklich austricksen. Ein Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau mit 42 Jahren dank der Eizellen welche Sie mit 34 Jahren eingefroren hat, schwanger wird, ist nahezu gleich hoch, wie im Alter von 34 Jahren. Zu berücksichtigen ist jedoch immer die Gesundheitssituation der Frau.

Vielen Dank für das Gespräch.


Links:
» Social Freezing / Medical Freezing – Eizellen vorsorglich einfrieren

(Themen-Special | http://www.kinderwunsch-blog.com)

» OVITA – Zentren für Eizellvorsorge Prof. Zech

(Startseite | http://ovita.eu)

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