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„Hoden in Gefahr?“

| Debatte über mögliche Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit bei Männern durch COVID-19 sorgt für Verunsicherung

Symbolbild | Foto: Shutterstock

„Gefährdet Corona die Zeugungsfähigkeit?“
„Hoden in Gefahr – COVID reduziert die Fruchtbarkeit“ …

So oder so ähnlich lauten aktuell die Headlines diverser Zeitungsartikel und Beiträgen im Netz, wie z.B. bei Twitter, wo mittlerweile ein Hashtag „hodencovid“ kursiert. Tatsächlich herrscht derzeit viel Verunsicherung – besonders bei Paaren mit Kinderwunsch. Aber was ist nun wirklich dran an einer möglichen Auswirkung einer COVID-19 Erkrankung und einer eingeschränkten männlichen Fertilität?

Seit Beginn der Corona Pandemie vor über einem Jahr gibt es auch immer wieder Untersuchungen bzw. Studien die einen möglichen Einfluss des SARS-CoV-2 Virus auf die männliche Fertilität sehen. Zuletzt befeuert wurde diese Theorie durch eine erst kürzlich erschienene deutsch-iranische Kohorten-Studie, die im Fachmagazin „Reproduction“ publiziert wurde.

Studie legt Untersuchung über längeren Zeitraum nahe

Forscher der Justus-Liebig-Universität in Gießen und der Allameh Tabataba’i Universität in Teheran hatten sich zwei Monate lang die Samenparametern von lediglich 84 Männern nach einer bestätigten COVID-19 Erkrankung angesehen und mit einer 105-köpfigen Kontrollgruppe verglichen. Dabei zeigte sich bei den Probanden unter anderem eine deutliche Einschränkung der Samenparameter wie Morphologie, Motilität und Konzentration. Das Fazit der beiden Forscher aus der Studie lautete, dass damit der experimentelle Beweis erbracht sei, dass das männliche Fortpflanzungssystem durch die COVID-19-Infektion gezielt geschädigt werden könnte. Dies lege nahe, so die beiden Forscher weiter, dass die reproduktive Funktion von COVID-19 Patienten genauestens verfolgt und ausgewertet müsse, da sie einen (vorübergehenden) Zustand einer Subfertilität entwickeln könnten, wie etwa eines Oligoasthenoteratozoospermie-Syndroms.

Experten raten zu differenzierter Betrachtung

Dazu ist folgendes anzumerken: Zwar ist es sicher richtig, auch das Fertilitätspotential von Männern, die an COVID-19 erkrankt sind, über einen längeren Zeitraum zu untersuchen. Eine Kausalität zwischen einer Corona-Infektion (SARS-CoV-2) und eingeschränkten Samenparametern lässt sich von der genannten Studie allerdings nicht ableiten. „Hierfür muss man die Thematik weitaus differenzierter betrachten“, so Reproduktionsmediziner Dr. Maximilian Murtinger (Ärztlicher Leiter NEXTCLINIC IVF Zentren Prof. Zech – Bregenz).

Hälfte der untersuchten Fälle mit schwerem bis kritischem Krankheitsverlauf

Zum einen ist die Fallzahl der besagten Studie recht gering – dies gilt insbesondere für Kohorten Studien. Zum anderen zeigen viele der Studien, die eine mögliche Auswirkung von COVID-19 auf die männliche Fertilität sehen, auch eine Korrelation zur Schwere des Krankheitsverlaufs. Dazu muss man sich vor Augen führen, dass ein Großteil der COVID-19 Infektionen aber einen milden Verlauf zeigt. Bei geschätzten 20% verläuft die Erkrankung sogar völlig asymptomatisch. Tatsächlich zeigt die erwähnte Maleki-Studie aber nur bei einem Patienten einen leichten Verlauf. Die Hälfte der inkludierten COVID-19 Fälle wurde als schwer bis kritisch eingestuft. Auch muss man sich über die mögliche Wirkungsweise von SARS-CoV-2 auf die männliche Fertilität Gedanken machen. Naheliegend sind Begleitsymptome wie etwa Fieber. Hohes Fieber kann die Spermienqualität wie auch die Spermienproduktion zumindest kurzfristig beeinträchtigen.

Einfluss von Medikamenten spielt eine Rolle

Worauf die oben genannte Studie auch hinweist, ist die Tatsache, dass 44% der Covid-19 Patienten mit Corticosteroiden behandelt wurden und 69% mit anti-viralen Medikamenten. Der medikamentöse Effekt ist dabei unklar. Bei Corticosteroid-Behandlungen etwa ist es bekannt, dass diese zu einer verminderten Produktion und reduzierter Beweglichkeit der Spermien führen können. Auch eine antivirale Medikation könnte hier einen Einfluss haben.

Virus im Ejakulat kaum nachgewiesen

Ein direkter Einfluss von SARS-CoV-2 Viren auf den Hoden bzw. die Spermien wird zwar auch immer wieder diskutiert, jedoch haben konnten nur wenige Studien das Virus im Ejakulat nachweisen – und dies in der Regel nur bei Patienten mit besonders schweren Verläufen.

Zwar könnte das SARS-CoV-2 Virus theoretisch auch die Blut-Hodenschranke überwinden, da diese von den Sertolizellen gebildet wird und diese den sogenannten ACE2 Rezeptor besitzen, der quasi die Einfallspforte für das Virus darstellt. Der Rezeptor ist übrigens auch bei Samenvorläuferzellen und den Leydigzellen zu finden. Damit wäre ein direkter Einfluss des Virus erklärbar. Doch bisher gibt es bisher nur vereinzelte Hinweise darauf, dass SARS-CoV-2 den Hoden direkt befällt. In einigen seltenen Fällen verursacht SARS-CoV-2 Schmerzen in der Leisten- und Hodengegend. Diese bedürfen aber unbedingt einer urologischen Abklärung.

Auswirkungen von COVID-19 auf die Fruchtbarkeit noch unklar

Man muss daher mit der Interpretation solcher Studien extrem vorsichtig sein. „Schnellschüsse haben hier keinen Platz. Die Auswirkungen von COVID-19 auf die männliche Fortpflanzungsfähigkeit sind bis heute weitgehend unklar“, so Dr. Murtinger weiter und empfiehlt:

    • Je nach Schwere des Krankheitsverlaufes sollten die Betroffenen 2-3 Monate zuwartet und danach ein Spermiogramm erstellen lassen.

    • Auch wenn es derzeit keine Hinweise gibt, dass SARS-CoV-2 sexuell übertragbar ist, sollte unmittelbar danach auf ungeschützten Geschlechtsverkehr verzichtet werden. Dies gilt insbesondere bei antiviralen Medikationen, da diese unter Umständen auch fruchtschädigend sein können.

    • Bei einem Hinweis auf mögliche Beteiligung des Hodens, etwa einer Schmerzsymptomatik, ist der Gang zum Urologen unerlässlich.

    • Nicht zuletzt sollte einer Erkrankung immer vorgebeugt werden. Dies heißt: Einhaltung der Abstand- und Hygiene Regeln und Impfung, wenn möglich.

Letztendlich bleibt anzumerken, dass es zwar keine Entwarnung gibt hinsichtlich einer eingeschränkten männlichen Fertilität durch SARS-CoV-2 – wichtig ist aber, sich nicht unnötig verrückt zu machen.


Links:
» Corona-Impfung bei Kinderwunsch & Schwangerschaft – Was wir heute wissen

(Beitrag | http://www.kinderwunsch-blog.com)

» Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 – Testverfahren im Vergleich

(Seite | https://www.ivf.at)

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