Seit Beginn der Reproduktionsmedizin sind neue wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Entwicklungen in der Forschung der Motor, um Therapien und Behandlungsabläufe entscheidend zu verbessern. Einige Therapieansätze führten dazu, dass viele Paare, die noch vor einigen Jahren bzw. Jahrzehnten kinderlos geblieben wären, mittlerweile eine reelle Chance auf Nachwuchs haben. Zu diesen bedeutenden Innovationen gehören beispielsweise die TESE (Testikuläre Spermien Extraktion) bei einer Azoospermie oder die Vitrifikation (Kryokonservierung) von unbefruchteten Eizellen und Embryonen in frühen Entwicklungsstadien.
Parallel dazu hat sich ein Trend rund um begleitende bzw. unterstützende Therapien und labordiagnostische Tests entwickelt. Geschätzt gibt es ca. 30 dieser sogenannten „In-vitro-Fertilisation (IVF) Add-Ons“, sprich therapeutische oder diagnostische Ansätze, die im Bemühen entwickelt wurden, den Erfolg einer Kinderwunschbehandlung zu verbessern. Klingt auf den ersten Blick sinnvoll, ist in Teilen jedoch mit Vorsicht zu genießen. Einige dieser „IVF-Add-Ons“ sind seit Jahren, manche sogar seit Jahrzehnten in der klinischen Anwendung. Dies jedoch ohne dass die Studienlage bis dato genügend Beweise geliefert hätte, um deren Wirksamkeit nachzuweisen. Auch in Puncto Sicherheit sind einige dieser „IVF-Add-Ons“ kritisch zu betrachten. Dies gilt insbesondere für bestimmte Immuntherapien. Daher wird der teilweise ausufernde Einsatz von „IVF-Add-On“-Therapien in jüngster Zeit, zurecht, immer öfter (lautstark) angeprangert.
Neben dieser Kritik braucht es aber auch eine differenziertere Betrachtungsweise. Denn, nicht nur die generelle Studienlage, sondern auch der jeweilige Anwendungsbereich sollte zur Beurteilung von begleitenden Therapien und/oder labordiagnostische Tests herangezogen werden. So kann für eine bestimmte Indikation eine entsprechende „IVF-Add-on“-Therapie durchaus sinnvoll sein. Für eine andere Indikation hingegen, ist die Anwendung nicht, oder nicht über alle Patientinnen und Patienten sinnvoll oder empfehlenswert.
Dazu ein Beispiel: Bei einer vorliegenden Globozoospermie ist eine Eizellaktivierung mit Ca2+ Ionophoren unerlässlich, damit eine Fertilisierung (Befruchtung) überhaupt erreicht werden kann. Ob hingegen der Einsatz dieser Ca2+-Ionophoren auch bei anderen Formen männlicher In- oder Subfertilitäten in Frage kommt, ist noch nicht abschließend geklärt. Gleiches gilt auch für das „Assisted Hatching“, sprich eine Schlüpf-Hilfe für den Embryo indem die Eizellhülle (Zona pellucida) mittels Laserstrahl „angeritzt“ wird. Auch hier gibt es zwar bestimmte Indikationen, jedoch sollte diese Technik sicher nicht generell zum Einsatz kommen.
Einige diagnostische & therapeutische „IVF-Add-ons“ im Überblick
Diagnostisch
- Untersuchung der endometrialen Rezeptivität (z.B. „ERA-Test“)
- Untersuchung von (endometrialen) Immunzellen
- KIR Gen-Bestimmung
- PGT-A – Preimplantation Genetic Testing for Aneuplodies (Aneuploidiescreening)
Therapeutisch
- „Embryo Glue“ (Hyaluronsäure)
- G-CSF – Granulozyten-stimulierender Faktor (intrauterin Infusion)
- Kortikosteroide
- hCG (intrauterine Infusion)
Zusammenfassend halten wir fest: Ob eine bestimmte „IVF-Add-on“-Diagnostik oder Therapie überhaupt erfolgen sollte, unterliegt der Abklärung im Rahmen eines umfassenden Gesprächs mit der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt. In unseren IVF-Zentren in Bregenz und Salzburg führen wir zur Überprüfung der Wirksamkeit und Indikationsfindung bestimmter „IVF-Add-ons“ seit Jahren immer wieder entsprechende Studien durch (wie z.B. zur Sinnhaftigkeit einer intrauterinen hcg Gabe). Aber auch in unseren regelmäßig stattfindenden Fortbildungsveranstaltungen für Mediziner, wie z.B. zum Thema „Update in Reproduktionsmedizin, Schwangerschaft und Gynäkologie“ im Frühjahr 2022 in Salzburg, setzen wir uns immer wieder auch mit der „IVF-Add-On“ Problematik auseinander.
Somit können wir nicht nur auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen, sondern verfügen vor allem über ein hochqualifiziertes Team, welches nach den Kriterien der Ethik, Evidenz und Empathie („Triple E“) handelt und unsere Patientinnen und Patienten detailliert über die Sinnhaftigkeit und Nutzen bestimmter Therapieformen aufklärt und berät.
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